Volkssagen aus Stadt und Kreis Bütow in Pommern.  Gesammelt von Walter Keller. Bütow 1920.
Nachdruck: Unvergessene Heimat, Nr.6. Frankenberg 1969. - Sagen aus dem Kreise - Nr.75 S.37  


Das Unhir

Wird ein Kind mit einer Kappe geboren, so sagt man, das ist ein Unhir. Wenn solch ein Unhir stirbt, holt es zuerst alle aus der Verwandtschaft nach; darauf geht es an die Kirchenglocke, schlägt daran, und so weit der Schall zu hören ist, so weit sterben ringsum alle Leute. Die Mutter des Unhirs kann dem Unheil dadurch vorbeugen, daß sie die Kappe zu Pulver verbrennt und dem Kinde mit der Milch eingibt. Selbst im Tode noch ist das Unhir für jeden Kundigen leicht kenntlich. Seine Leiche sieht nämlich ganz frisch und rot aus, als ob der Mensch noch Leben in sich hätte. Wer nun seinen Vorteil versteht, der legt einer solchen Leiche ein Fischnetz, Geld, eine Wagenrunge und derlei Dinge mehr in den Sarg hinein, daß sie es mit sich unter die Erde nimmt. Damit muß dann der Tote arbeiten und kann nicht zum Nachzehren kommen. Alte Leute rufen dem Unhir auch wohl höhnend nach: "Wenn du das Netz aufgeknotet hast, dann magst du uns holen!" Sie wissen aber recht gut, daß es unmöglich ist, ein Fischnetz in einer Nacht aufzuknoten.

(Jahn)


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