Bütowersche Vertellkes. Gesammelt und erzählt von Hans-Joachim Heß © 1983-2001
Frankenberg 1983, S. 36-38


Sieben Kinder und noch kein Mann

Wie jede Stadt im weiten und schönen Pommernlande so hatte auch jedes Dorf seine Prominenz. In den größeren Dörfern waren es neben dem Bürgermeister der Lehrer, der Pastor und der Apotheker. Die kleinen begnügten sich meistens mit dem Bürgermeister und dem Lehrer, und manchmal war es auch nur der Bürgermeister.

Lehrer, Paster und Afteiker harre inn de Beiker studiert und wiere somit klauke Lied. Sie redete man auch mit "Herr" an, während alle anderen Mitbürger, einschließlich Bürgermeister, einfach mit dem Vornamen oder in dem vertrauten "Du" angesprochen wurden.

Das war auch im Kreis Bütow nicht anders und jeder meinte, daß es damit seine Richtigkeit hatte. Aber haben wir hier nicht eine sehr wichtige Person vergessen? Ich meine den Feuerwehrhauptmann. Jedes Dorf hatte seine, meistens freiwillige Feuerwehr, und im Spritzenhaus wartete die Spritze auf ihren Einsatz. Sie brauchte in der Regel nicht lange warten, denn Ende der zwanziger, Anfang der dreißiger Jahre brannte es mit erstaunlicher Regelmäßigkeit immer an den Wochenenden, und der Bauer, der die Spritze zu fahren hatte, schirrte am Sonnabend seine Pferde erst gar nicht ab. Das Feuerhorn tutete ja doch bald, und dann ging es ab wie die Feuerwehr! Der heilige Florian zeigte sich fast immer einsichtig und ließ es nicht in der Arbeitszeit brennen. Auch sorgte er meistens dafür, daß der Besitzer des brennenden Gebäudes gerade seinen Bruder, Schwester, Onkel, Tante oder sonstigen Verwandten besuchte und somit nicht zu Hause war, wenn der rote Hahn aufs Dach kletterte. Er hatte also ein todsicheres Alibi und konnte es niemals gewesen sein.

Der Feuerwehrhauptmann aber, der mit seinen Mannen zuerst an der Brandstelle war und den ersten Wasserstrahl in das Feuer brachte, wobei hier die Betonung auf dem Worte Wasser liegt, erhielt eine Prämie, die anschließend im Dorfkrug in Bier und Korn umgesetzt wurde. Nebenbei gesagt, das Feuer brauchte ja nun nicht gleich auszugehen. Dann blieb ja am Ende sogar noch etwas stehen, und das war nicht immer im Sinne des Erfinders. Wer will angesichts dieser Tatsachen noch dem Feuerwehrhauptmann die Prominenz seiner Stellung absprechen?

Hinzu kommt noch, daß er vielerorts die Funktion eines Kerkermeisters auszuüben hatte.

In den Spritzenhäusern der größeren Dörfer war nämlich ein verschließbarer Raum vorgesehen, in den man die Landstreicher, wir wurden heute sagen Penner, einsperrte.

Diese Räume waren in der Regel mit einer Pritsche einschließlich Strohsack, einem Tisch und einem Schemel möbliert. Die Aufgabe des Feuerwehrhauptmannes, also dem Verwalter des Spritzenhauses, war es nun, den Landstreicher auf Anordnung des Gendarms abends ein- und morgens wieder auszuschließen.

Sollte aber jemand glauben, daß die Reinigung dieses Gemaches mit zu den Dienstobliegenheiten unseres Hauptmannes gehörte, der irrt gewaltig. Ein Hauptmann, und sei es ein Feuerwehrhauptmann, der selbst sein Revier reinigt? Nein, sowas hat es in Preußen noch nie gegeben. Für diese niederen, eines Hauptmanns unwürdigen Arbeiten wurde in den meisten Fällen eine Magd eingesetzt. So war es auch in einem größeren Dorf bei uns im Kreise. Nennen wir die gute Dame mal kurz "Minna". Minna hatte nun die Weisheit auch nicht gerade mit Löffeln gegessen, hatte aber andere, recht brauchbare Eigenschaften. Sie war fleißig, zuverlässig und vor allen Dingen sehr kontaktfreudig, und gerade diese Kontaktfreudigkeit wußten die Landstreicher aller Rassen und Schattierungen zu schätzen. So ließ es sich bei Minna nicht vermeiden, daß von manchen intensiveren Kontakten ein bleibendes Andenken zurückblieb.

Als nun die Zahl dieser recht munteren Andenken sich dem halben Dutzend näherte, beschloß unsere Minna, doch ihren Vorsatz ledig zu bleiben wie ihr Fräulein Mutter aufzugeben, und sich nach einem zahlungskräftigen Vater umzusehen. Da diese ehrenvolle Position aber keiner freiwillig einnehmen wollte, wurde wieder einmal das Bütower Amtsgericht bemüht.

Minna ließ nun eine ganze Reihe forscher Burschen aufmarschieren. Aber auch hier wollte verständlicherweise keiner Minna die Ehre erweisen und sich zur Vaterschaft bekennen.

Nach langem Hin und Her platzte dein Amtsrichter der Kragen und er fuhr unsere Dame an: "Also, Minna, Sie sind nun letzten Endes die Mutter von dem armen Wesen und messen zuerst wissen, wer von dieser Galerie schöner Männer dafür in Frage kommt. Also raus mit der Sprache." Darauf antwortete Minna im reinsten Bütower Platt und mit größter Ehrlichkeit, auch eine ihrer guten Eigenschaften: "Herr Richter, wenn ick dat säge sall, dann mut ick säge, dor is ganz Massowitz un Imgägend dorbi west."

Darauf der Richter kurz und bündig: "Dann soll auch ganz Massowitz und Umgebung bezahlen. Die Verhandlung ist geschlossen!"


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